St. Gallen Konsensuskonferenz 2019 - Zur systemischen Behandlung des frühen Mammakarzinoms
03.09.2019
Auch in diesem Frühjahr trafen sich wieder zahlreiche Brustkrebs-Spezialisten, um über aktuelle Behandlungsstrategien bei frühem Brustkrebs zu diskutieren und sich abzustimmen. Eines wird deutlich auf diesem großen internationalen Kongress: Therapieentscheide sollten auf evidenzbasierter Grundlage immer stärker individualisiert werden.
In dem Panel saßen 50 international zusammengesetzte Experten aus mehr als 20 Ländern zusammen, darunter auch 5 Experten aus Deutschland. Neben operativen und strahlentherapeutischen Aspekten stand die systemische Behandlung des frühen Mammakarzinoms im Mittelpunkt.
Frühes Östrogenrezeptor-positives (ER+) Mammakarzinom
Beim frühen ER+ Mammakarzinom ist die ovarielle Suppression mit einem GnRH-Analogon (z.B. Zoladex) oder die beidseitige Entfernung der Ovarien zusätzlich zu Tamoxifen oder einem Aromatasehemmer eine Therapieoption. Die Indikation für eine zusätzliche ovarielle Suppression sehen die Experten immer dann, wenn aufgrund eines hohen Rückfallrisikos auch eine Chemotherapie infrage käme. Bei nur moderatem Risiko ohne Chemotherapie-Indikation oder positivem HER2-Status ist eine ovarielle Suppression durch ein GnRH-Analogon nicht notwendig.
Welche endokrine Therapie sollte angewendet werden?
Eine postmenopausale Patientin mit einem ER+ Mammakarzinom sollte irgendwann im Therapieverlauf einen Aromataseinhibitor (AI) erhalten. Dieser muss nicht notwendigerweise bereits von Anfang an gegeben werden, man kann auch zunächst mit Tamoxifen starten. Die Experten empfehlen den initialen Einsatz von AI bei einem vorliegenden erhöhten Risiko. Dieses liegt z.B. vor bei einem fortgeschrittenen Tumorstadium, beim Vorliegen eines G3-Karzinoms, bei einem hohen Ki67-Wert oder beim Vorliegen eines HER2-Status.
Wie lange sollte eine adjuvante endokrinen Therapie andauern?
Beim ER+ Mammakarzinom ist eine endokrine Therapie zunächst über den Zeitraum von 5 Jahren vorgesehen. Keine Verlängerung der endokrinen Therapie ist bei prämenopausalen Patientinnen im Stadium I vorgesehen, die nach 5-jähriger Tamoxifen Gabe immer noch prämenopausal sind. Eine Therapie über 5 Jahre hinaus ist bei Frauen im Stadium II (s.Tab.1) vorgesehen, die befallenen Lymphknoten aufweisen. Hier empfehlen die Experten mehrheitlich die Weiterbehandlung mit Tamoxifen über weitere 5 Jahre, wenn die Patientin prämenopausal ist. Für postmenopausale Patientinnen ist eine Verlängerung der endokrinen Therapie für weitere 5 Jahre ab Stadium II bei Erstdiagnose, unabhängig vom Lymphknotenbefall vorgesehen. Wurde die Patientin in den ersten 5 Jahren mit einem AI behandelt, wird die Verlängerung der endokrinen Therapie über 5 Jahre hinaus nur bei initialem Lymphknotenbefall empfohlen.
Wann ist eine adjuvante Chemotherapie indiziert?
Die Indikation für eine adjuvante Chemotherapie (s.Abb.1) bei einem hormonsensiblen Mammakarzinom und niedrigem Rezidivrisiko besteht nur dann, wenn mindestens 4 Lymphknoten befallen sind. Besteht eine Chemotherapie Indikation, dann sollte vorzugsweise eine Therapie mit einem Taxan (z.B. Taxol) plus ein Alkylans (z.B. Endoxan) eingesetzt werden. Die Arbeitsgemeinschaft für gynäkologische Onkologie in Deutschland (AGO) empfiehlt grundsätzlich eine Anthrazyklin/Taxan-basierte Therapie (z.B. Adriamycin/Taxol). Beim Hormonrezeptor- und HER2-negativem Mammakarzinom (sog. Triple-negatives MC) bevorzugen die Experten ab Stadium I ein Anthrazyklin/Taxan-basiertes Regime plus ein Alkylans (z.B. Endoxan).
Chemotherapie beim Vorliegen einer BRCA-Genmutation
Interessanterweise weichen hier die Ansichten der deutsche Onkologen (AGO) von denen des Internationalen Expertengremiums ab: Während in den AGO-Empfehlungen der Einsatz von Platin beim triple-negativen Mammakarzinom eine Option ist, lehnen die St. Gallen Experten den neoadjuvanten Einsatz von Platin zusätzlich zu einem Anthrazyklin/Alkylans/Taxan-basierten Regime ab. Sie sehen aber mehrheitlich dann in Platin eine Option, wenn eine BRCA-Mutation vorliegt. Bleibt bei Patientinnen mit triple-negativem Mammakarzinom nach neoadjuvanter Therapie ein Tumorrest, sollten diese Patientinnen mit Capecitabin (Xeloda) weiterbehandelt werden.
HER2-positives (HER2+) Mammakarzinom
Patientinnen mit HER2+ Mammakarzinom ab Stadium I sollten zur Chemotherapie eine anti-HER2-gerichtete Therapie erhalten. Bei T1a-Karzinomen ohne Lymphknotenbefall ist dies allerdings kein Standard. Im Stadium I ist Trastuzumab (Herceptin) die bevorzugte anti-HER2-gerichtete Substanz, die mit einem Taxan kombiniert werden sollte. Bei Patientinnen im Stadium II plus Lymphknotenbefall bzw. im Stadium III wird mehrheitlich der (neo)adjuvante Einsatz (s.Tab.1) von Pertuzumab (Perjeta) plus Chemotherapie empfohlen. Patientinnen mit Lymphknotenmetastasen bei Erstdiagnose, die neoadjuvant eine Polychemotherapie mit dualer Antikörper-Blockade (Trastuzumab/Pertuzumab) erhalten und eine klinisch komplette Remission erreicht haben, sollten mit beiden Antikörpern nach Operation adjuvant weiterbehandelt werden. Diese Empfehlung wurde nur von der Hälfte der Experten abgegeben. Der andere Teil riet zur Deeskalation und würde Trastuzumab allein einsetzen. Sind bei der Patientin bei Erstdiagnose die Lymphknoten nicht betroffen, würden die Experten mehrheitlich adjuvant auf Pertuzumab verzichten und nur mit Trastuzumab in der adjuvanten Therapie fortfahren.
Adjuvanter Einsatz von Tastuzumab-Emtansin (T-DM1)
Trastuzumab-Emtansin, Handelsname Kadcyla, ist ein Antikörper-Wirkstoffkonjugat, dass sssaus dem Antikörper Trastuzumab besteht, der kovalent mit dem zytotoxischen Wirkstoff DM1 verbunden ist. Für Patientinnen mit HER2+ Mammakarzinom und Resttumor in der Brust und/oder Axilla nach neoadjuvanter systemischer Therapie gibt der überwiegende Teil der Experten die Empfehlung einer adjuvanten Nachbehandlung mit T-DM1. Dabei ist unerheblich, wie groß der verbliebene Tumorrest bzw. die verbliebene Tumorlast in der Axilla ist. Unwesentlich ist auch, ob die Patientinnen neoadjuvant Trastuzumab oder die duale Antikörperblockade mit Trastuzumab/Pertuzumab zusätzlich zur Chemotherapie erhalten haben.