Interview: Krebsprophylaxe durch Stärkung des Immunsystems?
08.09.2014
Sowohl bei der Entstehung als auch bei der Überwindung von Krebserkrankungen spielt das Immunsystem eine besondere Rolle. Dabei wird zwischen dem angeborenen (nativen) Immunsystem und dem erworbenen (adaptiven) unterschieden. Wie effizient das Zusammenspiel ist, hängt unter anderem auch von der individuellen Faktoren ab. Im Interview mit Professor Dr. med. Clemens Unger vom Zentrum für Krebsmedizin in Freiburg geht es darum, wie das Immunsystem stimuliert, die körperliche Abwehr gestärkt und Krebs vorgebeugt werden kann. Die Fragen stellte Barbara Riess.
Das Immunsystem ist hoch komplex und wird von vielen Faktoren beeinflusst. Wie funktioniert es überhaupt?
Im Grunde handelt es sich bei dem, was wir als Immunabwehr bezeichnen um zweierlei Vorgänge. Zum einen bildet die angeborene Abwehr mit den dendritischen Zellen, Monozyten Makrophagen und Granulozyten ein robustes und eng verzahntes System zur raschen Identifizierung fremder Reize. Die erworbene Immunabwehr hingegen hat sich im Laufe der Evolution herausgebildet. Sie bietet sehr differenzierte Möglichkeiten, eigene und fremde Antigene zu erkennen und Pathogene zu entfernen. Es wird ein Antigen-spezifisches Gedächtnis aufgebaut und das Gleichgewicht des Immunsystems gewährleistet.
Wie kann man herausfinden, ob das Immunsystem funktioniert oder ob es Schwachstellen gibt?
Hier ist eine eingehende Immundiagnostik sinnvoll, bei der auch der Funktionsstatus ermittelt wird. Wichtige Anhaltspunkte liefern die im Blut zirkulierenden Zytokine und Immunmodulatoren. Auf dieser Grundlage kann eine gezielte und individuelle immunstärkende Therapie eingeleitet werden.
Kann das Immunsystem im Alltag positiv beeinflusst werden?
Über die Nahrung können sowohl krebserregende Substanzen aufgenommen werden als auch solche, die vor einer Tumorentstehung schützen. Epidemiologische Studien zeigen eine Wechselbeziehung zwischen Dickdarm-, Brust- und Pankreastumoren und dem westlichen Lebensstil. Eindeutige Belege für tumorschützende Effekte finden sich bei einer Ernährung mit viel Obst und Gemüse.
Was ist konkret zu beachten, wenn man das Tumorrisiko durch Ernährung reduzieren will?
Ein gewisser Schutz vor Dickdarmkrebs wird pflanzlichen Ballaststoffen zugesprochen, unter anderem, weil sie offenbar in der Lage sind, Karzinogene zu binden. Rotes Fleisch und gesättigte Fettsäuren werden hingegen mit einem tumorfördernden Einfluss assoziiert. Die Einnahme von einfach ungesättigten Fettsäuren (zum Beispiel Ölsäure) oder von Fischöl scheint das Tumorrisiko zu mindern. Des weiteren ist zu beachten, dass starkes Erhitzen von Fleischprodukten (zum Beispiel beim Grillen) zur Bildung karzinogener Pyrolyseprodukte aus Proteinen und Aminosäuren führt. Und hohe Nitratexposition wiederum korreliert mit einem erhöhten Risiko für Speiseröhren- und Magenkrebs. Zahlreiche Studien kamen zu dem Ergebnis, dass die Aufnahme von täglich mehr als 500 Gramm Obst und Gemüse mit einer deutlichen Risikominderung um etwa 50 Prozent für das Auftreten einzelner Tumorarten einhergeht. Zusammen mit der Aufnahme von hochungesättigten Fettsäuren durch hochwertige Öle oder durch Verzehr von Seefischen wird daraus eine Ernährung, die eine echte Tumorprotektion bewirkt.
Was kann man außerdem tun, um das Immunsystem zu stärken?
Obwohl die Studienlage noch nicht ganz gesichert ist, kann man heute davon ausgehen, dass körperliche Aktivität sowie Bewegungs- und Sporttherapie einen Beitrag zur Krebsprävention leisten können. Epidemiologische Untersuchungen zum Einfluss körperlicher Aktivität auf das Krebsrisiko liegen zu einer Reihe von Tumorerkrankungen vor. Überzeugende Daten gibt es beispielsweise zum Mamma- und zum Dickdarmkarzinom. Die Einschätzung der Risikoreduktion durch Bewegung und Sport liegt hier bei 30 bis 50 Prozent. Ein wöchentlicher Trainingsaufwand von 3 bis 4 Stunden ist ausreichend, um echte krebspräventive Effekte zu erreichen.
Viele Menschen leben jahrelang ziemlich ungesund, bis sie durch eine Krebserkrankung zum Umdenken veranlasst werden. Macht es Sinn, den Körper zu entgiften?
Falsche Ernährung sowie zu viel Fett, Fleisch und Alkohol, ferner Umwelteinflüsse, mangelnde Bewegung, Stress, chronische, immer wiederkehrende Erkrankungen sind ein Grund, warum wir uns häufig nicht wohlfühlen. Die Hauptausscheidungsorgane des Körpers wie Leber, Niere Lunge und Haut sind in ihrer Funktion behindert, Gifte und Schlackenstoffe auszuscheiden. Therapeutische Maßnahmen sollten zum Ziel haben, Giftstoffe und Schlacken aus den Geweben zu lösen und die Ausscheidungsfunktion von Leber und Niere sowie die Anregung des Lymphflusses zu stimulieren. Im Einzelnen können Trockenbürsten der Haut den Kreislauf anregen. Die Flüssigkeitsaufnahme von zusätzlich mindestens 2 Litern in Form von Tee oder Wasser können Gifte zur Ausscheidung bringen. Die Naturmedizin geht davon aus, dass eine „Übersäuerung“ (nicht Azidose) verantwortlich ist für zahlreiche Beschwerden und Erkrankungen. Die „Säureflut“ durch Nikotin, Coffein, Zucker Alkohol und Fette sollte durch Einnahme von Basen-Pulver aufgefangen werden.
Gibt es Substanzen, mit denen das Immunsystem ganz gezielt stimuliert werden kann?
Zu den immunstärkenden Stoffen zählt ein sehr breites Spektrum von Verbindungen. Dazu gehören Vitamin C, Vitamin D, Curcumin, Resveratrol, Probiotika, grüner Tee, Omega-3-Fettsäuren, Weihrauch, Colibiogen und Selen. Angesichts der breiten Produktpalette, die auf dem Markt angeboten wird, ist es jedoch nicht immer einfach, hier die Spreu vom Weizen zu trennen. Ein wichtiger Anhaltspunkt ist, dass die Verbindungen hinsichtlich ihrer immunstärkenden Wirkung untersucht und für gut befunden wurden und dass sie hinsichtlich ihrer möglichen Nebenwirkungen unbedenklich sind. Erst dann können sie in Rücksprache mit dem behandelnden Arzt in ein individuelles Programm der Abwehrstärkung und Krebsprophylaxe eingebaut werden.
Eine detaillierte Liste von Substanzen mit immunstärkender Wirkung hat Professor Dr. med. Clemens Unger in einem separaten Beitrag zusammengestellt. Es handelt sich dabei ausschließlich um Verbindungen, die hinsichtlich ihrer Wirkungen und Nebenwirkungen seriös eingeschätzt wurden. http://www.zentrum-krebsmedizin.de/thema-krebs/fakten-zu-krebserkrankungen